Porzellanmeer

Die Badewanne ist ihre Kathedrale aus chlorblauem Licht. Plastikwale umringen sie wie Akolythen, die einen Meeresgott beschwören wollen. Der schwarze Neoprenanzug lässt sie ein wenig wie eine kleine, aber entschlossene Robbe aussehen. Sie rückt ihre Taucherbrille zurecht, deren Gläser beschlagen wie von dichtem Nebel. „Bereite das Periskop vor“, befiehlt sie, worauf du ihr eine Klopapierrolle zuwirfst.

Du lehnst am Türrahmen. „Der Ozean ist zu groß für dieses Zimmer.“

Sie wirbelt herum, Wasser schwappt über den Rand. „Größer ist nicht besser“, zischt sie, und sieht dabei aus wie ein zwergenhafter Poseidon mit einem zerknitterten Periskop in der Hand. „Größer ist nur… lauter.“

Du lässt sie in ihren Tiefen. Doch nach einer Weile nagt an dir die Stille – eine Unterströmung, die dich zurückzieht, selbst wenn du dagegen ankämpfen würdest.

Sie schwebt regungslos da, Gliedmaßen ausgestreckt, das Haar wie Seetang um sie herum. Für einen Herzschlag lang ergreift dich das Entsetzen – bis sie flüstert: „Pscht. Hör zu!“

Du kniest nieder. Die Wanne summt, ein Brummen bis in die Knochen. Das Wasser schwappt nicht mehr sanft an das Porzellan, sondern brandet in Wellen tosend gegen die Wand der Wanne – eine Flut, gezogen von einem unsichtbaren Mond. Salz brennt in deinen Nasenlöchern. Sand rieselt durch die Zwischenräume deiner Zehen. Irgendwo schreit eine Möwe.

„Es ist die Unterströmung“, haucht sie. „Sie kennt deinen Namen.“

Deine Hand taucht ins Wasser. Eisige Kälte beißt in deine Haut und lässt deine Finger schlagartig taub werden. Sie steigt deinen Arm hinauf und nimmt dir den Atem.

Dann ist es einen Augenblick später plötzlich wieder einfach nur lauwarmes Badewasser.

„Siehst du?“ Sie grinst, Wassertropfen hängen wie winzige Prismen an ihren Wimpern. „Wenn du den Ozean finden willst, musst du bereit sein, ein bisschen zu ertrinken“